Hörtipp: Oliver Döring: Das Imperium der Ameisen, Hörspiel nach H. G. Wells

Das Imperium der Ameisen ist das zweite aus einer bisher sechsteiligen Reihe von Hörspielen, die Oliver Döring seit 2017 nach Werken von H. G. Wells produziert. Der hier zu besprechende Hör-Blockbuster wurde bereits am 24.11.2017 veröffentlicht. Das macht diese Besprechung für mich allerdings nicht weniger spannend, im Gegenteil. Manchmal ist es gar nicht so verkehrt, eine Review zu veröffentlichen, wenn der große Hype bereits abgeklungen ist und man als Autor weniger beeindruckt von den Texten der Kolleginnen und Kollegen agieren kann. Entsprechend frisch und unbelastet ging ich ans Werk.

Wie schon bei der Zeitmaschine versetzen Döring und sein Team die Geschichte in die Gegenwart. Nun muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich das Original von 1905 nicht kenne. Ich gehe allerdings einmal davon aus, dass der Produzent wieder größten Wert auf einen respektvollen Umgang mit dem Stoff legte.

Und der hat es wirklich in sich: Lukas Holroyd ist Biologe bei einem Pharmakonzern und liebt die Stadt, Fastfood und Internetpornos. Am liebsten arbeitet er in seinem bequemen, klimatisierten Labor unter idealen Bedingungen. Die Folge dieser Trägheit ist, dass Holroyds Karriere stockt. Als sein Chef ihm anbietet nach Südamerika zu reisen und das mysteriöse Verschwinden eines hochdekorierten Forschers zu klären, nimmt der Stadtmensch zunächst eher zögerlich an. Die Schwüle und Feuchtigkeit, sowie die allgegenwärtige Gefahr schrecken den Biologen ab. Doch bald darauf erkennt Lukas seine große Chance. Denn der vermisste Kollege erforschte eine gefährliche und riesige Ameisenrasse, die ein extrem wirksames Gift absondert. Also begibt sich der Biologe in den peruanischen Urwald und heuert einen Führer an. Auch wird ein Kanonenboot unter dem Kommando von Kapitän Gerilleau zu seinem Schutz abgestellt. In der grünen Hölle des Dschungels stößt die Gruppe schließlich auf die geheimnisvollen Ameisen – und die unterscheiden sich von allem, was je ein Mensch zuvor gesehen hat. Denn die Insekten haben eine Evolution durchlaufen, die sie zu weit mehr macht, als einfache Insekten…

Der hier angerissene Plot gipfelt in einem spannenden Öko-SciFi-Thriller, der mich als Hörer nicht nur von der ersten Minute an mitreißt, sondern erstaunlich modern und aktuell daherkommt. In einer Zeit seichter Unterhaltung regt die etwa 56 Minuten lange Geschichte zum Mitdenken an, wobei sich vor allem ab dem zweiten Drittel der Geschichte eine leichter Gänsehautschauer auf dem Rücken einschleicht. Die Story ist stringent erzählt und kommt ohne große Schnörkel und künstliche Wendungen aus, schafft es aber trotzdem, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten.

Das Sounddesign ist auch hier wieder über alle Zweifel erhaben und würde jedem High-Budget-Kinofilm ohne Weiteres alle Ehre erweisen. Es ist schon erstaunlich, wie organisch und dicht der Klangteppich der Döring-Hörspiel-Welt gestaltet ist. Gleiches lässt sich über die erstklassige Sprecherriege sagen. Mit an Bord sind unter anderem Julien Haggége (bekannt aus weit über 100 Film- und TV-Produktionen) als Lukas Holroyd, Carlos „Lobo“ López (u.a. die Synchronstimme von Javier Bardem) als Gerilleau, Douglas Welbat (u. a. William Hurt), Oliver Strietzel und der fast schon obligatorische Joachim Kerzel, den Hörspielfans unter anderen als Erzähler aus den beliebten John Sinclair- und Star Wars Hörspielen kennen. Doch auch in Frank Schätzings Der Schwarm war er in der Rolle des Biologieprofessors Sigur Johanson zu hören. Einer Oliver Döring Produktion ohne Kerzel würde schlicht und ergreifend etwas fehlen.

Es ist immer wieder eine große Freude, Hörspiele aus dem Hause Folgenreich, unter der Regie eines Oliver Döring zu genießen. Der Autor, Produzent und Regisseur nimmt sich den von ihm gewählten Stoffen stets mit großer Leidenschaft und Feingefühl für das Fandom an. Hier spürt man mit jeder Faser, dass ein Fan Hörspiele auf eine Art produziert, wie er sie selbst gerne hört.

persönliche Bewertung: 5/6