Bidldquelle: Cover und Bildzitate: VZ-Handelsgesellschaft
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Die geheimnisvolle Insel, alternativ: Herrscher einer versunkenen Welt, original: La Isla Misteriosa (1973)

Albina Productions, Cameroons Development, Cité Films, Copercines Cooperativa Cinematográfica, Filmes Cinematografica, Office de Radiodiffusion Télévision Francaise (ORTF); Produktionsland: Spanien/Italien/Frankreich; Länge: 6 Teile mit insgesamt 268, bzw. 316 Minuten, Kinoversion: 96 Minuten, Director' s Cut: 101 Minuten

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Darsteller Crew
Omar Sharif als Kapitän Nemo Regie: Juan Antonio Bardem, Henri Colpi
Gerad Tichy als Cyrus Smith Produktion: Jaques Bar, Raymond Froment
Philippe Nicaud als Gideon Spilett Drehbuch: Juan Antonio Bardem, Henri Colpi
Rafel Bardem jr. als Herbert Kamera: Guy Delecuse, Julio Ortas, Enzo Serafin
Jess Hahnn als Pencroft Schnitt: Paul Cayatte, Antonio Gimeno
Gabriele Tinti als Ayrton Musik: Gianni Ferrio

Besprechung:

 

Inhalt:

Es herrscht Bürgerkrieg in Amerika. Während der Belagerung der konföderierten Stadt Richmond durch die Truppen der Nordstaaten gelingt fünf Gefangenen in einem  verheerenden Sturm die Flucht mit einem Ballon. Als hilfloser Spielball der Naturgewalten treiben sie dahin, bis ein Riss in der Hülle das Gefährt plötzlich auf einer einsamen Pazifikinsel zum Absturz bringt.

 

Die Gestrandeten, der Gelehrte Smith, der Journalist Spilett, der Seemann Pencroft und der ihm anvertraute Junge Herbert, sowie Smith‘ Diener Nab bleiben unverletzt und richten sich zunächst heimisch ein. Eine Höhle wird zur ständigen Bleibe ausgebaut und schnell sind Erz und Kohle gefunden, die das Schmieden von Werkzeug ermöglichen. Beim näheren Erkunden des Eilands stoßen Smith und Nab jedoch bald auf ein ungeahntes Geheimnis. Von einem Berg scheinen eigenartige Lichter zu reflektieren. Der Wissenschaftler und sein Diener nähern sich vorsichtig, werden aber bald von einer geheimnisvollen Macht angegriffen – unsichtbaren Strahlen - wie sie sie noch nie zuvor gesehen haben. Wer verfügt über ein so fortschrittliches Wissen? Und warum gibt er sich nicht zu erkennen? Warum stellt der Fremde ihnen Gewehre, einen Sextant und sogar Baupläne für ein Schiff zur Verfügung und rettet einem von ihnen sogar das Leben? Wer ist der geheimnisvolle Wohltäter, der ihnen offenbar wohlgesonnen ist, aber jegliche Annäherung mit Gewalt zu verhindern weiß?

 

Nach und nach kommen die Schiffbrüchigen der Lösung näher, als plötzlich ein Schiff vor der Insel anlegt. Doch anstatt sie zu retten, bricht Kanonenfeuer über der Insel herein. Ein Beiboot wird zu Wasser gelassen und schnell wird klar: Piraten landen an! Wird der mächtige Herr der geheimen Insel helfen, oder ist er gar mit den Verbrechern verbündet?...

 

Fazit:

Ich sehe die von schönen Kindheitserinnerungen verzückten Blicke der Nostalgiker unter Euch beim Lesen dieser Zeilen quasi vor mir.  Die geheimnisvolle Insel mit Omar Sharif – dieser Titel birgt auch für mich einige meiner wundervollen Kindheits-TV-Momente. Ab dem 5. Januar 1975 strahlte die ARD diese, unter Jules Verne Fans als werktreueste Verfilmung des Stoffes geltende, Miniserie in sechs Teilen aus.  Die Namen der einzelnen Episoden lauten:

 

Teil 1: „Die Flucht“

 

Teil 2: „Die wunderbare Rettung“

 

Teil 3: „Der unheimliche Berg“

 

Teil 4: „Die Flaschenpost“

 

Teil 5: „Die schwarze Flagge“

 

Teil 6 „Kapitän Nemo“

 

Abgesehen von dieser insgesamt 4,5 Stunden langen Fassung gibt es noch eine deutsche Kinoversion von 96 Minuten, sowie eine etwas längere Schnittfassung mit insgesamt 101 Minuten Länge, die sogar im 16:9 Format vorhanden ist. Die beiden letztgenannten sollen hier jedoch nicht großartig betrachtet werden, denn der Episodencharakter dieser Robinsonade sticht schon in den Titeln der einzelnen Folgen  klar hervor. Sicherlich gibt es den narrativen Überbau um Kapitän Nemo und seine sagenumwobenen wissenschaftlichen Fähigkeiten, mit denen er seine größte Erfindung, das Unterseeboot Nautilus, schützt. Dem stehen jedoch die einzelnen Abenteuer des Helden-Quintetts Nab (Abroise Bia), Pencroft (Jess Hahn), Spilett (Philippe Nicaud), Cyrus Smith (Gerad Tichy) und Herbert (Rafel Bardem jr., der btw. der Sohn von Regisseur Antonio Bardem ist) gegenüber. In Teil IV gesellt sich schließlich noch der Schiffbrüchige Pirat Ayrton, gespielt von Gabriele Tinti, hinzu. Dieser dürfte den Trash- und Exploitation-Fans unter Euch vielleicht durch seine Sandalen-, Trash- und Sexploitation Filme (ja, so etwas gibt es tatsächlich) a‘ la „Black Emanuelle“ ein Begriff sein.

Der Kinofilm ist also ein eher weniger gut gelungener Versuch, die Essenz der oben erwähnten Episoden zu erfassen und in ein seinerzeit gängiges 90-Minuten-Format zu pressen. Dabei beschränkten sich die Cutter offenbar darauf, die Szenen mit den meisten Spezialeffekten und Actioneinlagen aneinanderzureihen. Dadurch wird dem Zuschauer allerdings ein ums andere Mal der Blick auf den eigentlichen Sinn der Szenerie verwehrt, was in Anbetracht des Gesamtwerks denn doch unglaublich schade ist.

 

Greifen wir also getrost auf die Langfassung zurück und genießen eine TV-Produktion, die für ihre Zeit und Verhältnisse nicht nur hervorragend ausgestattet ist, sondern auch mit einem spielfreudigen und bestens als Kapitän Nemo besetzten Omar Sharif aufwarten kann. Der hatte zur Entstehungszeit dieser kleinen Serie zwar seine besten Zeiten bereits hinter sich, passt hier aber wie die Faust auf das berühmte Auge. Schade ist lediglich, dass dem charismatischen Ägypter mit libanesisch-syrischen Wurzeln nicht mehr Screentime gegönnt wurde. Bis auf einige kleine Ausrutscher, beispielsweise das Ende, hielten sich die Drehbuchautoren Juan Antonio Bardem und Henri Colpi, die auch gemeinsam Regie führten, erstaunlich nah ans Original des französischen Vaters der Science Fiction, was wohl der Hauptgrund für diese Entscheidung gewesen sein dürfte.

 

Wie oben bereits kurz erwähnt, ist die Ausstattung aller Ehren wert. Stilistisch versuchte man, sich an Disneys Meisterwerk 20000 Meilen unter dem Meer zu orientieren. Bedenkt man, dass der spanisch/italienisch/französischen Koproduktion umgerechnet nur ein Bruchteil des Blockbusters von 1954 zur Verfügung gestanden haben kann, ist dieses Unterfangen wirklich geglückt. Abgesehen von den etwas albern wirkenden Tauchanzügen, die allerdings in den toll gefilmten Unterwasseraufnahmen gut zur Geltung kommen, haben sich die Setdesigner alle Mühe gegeben, ein glaubwürdiges Steampunk-Szenario zu entwerfen. Das Innenleben der Nautilus glänzt mit im Barock-Stil gehaltenen Möbeln, dem dann und wann ein kleiner Schuss Biedermeier zugefügt wurde. Maritime Formen kombiniert mit dem typischen Industriallook der Mitte des 19. Jahrhunderts dominieren die Wände, Schotten und Maschinen des U-Bootes. Dies alles ist wunderbar aufeinander abgestimmt und passt gut mit den Kostümen zusammen.

 

Auch das Interieur der Höhle, in der es sich unsere gestrandeten Recken heimisch gemacht haben, zeugt von engagierten Kulissen- und Setbauern, die sich hier mit viel Sinn für‘s Detail ausgetobt haben. Hinzu kommen Spezialeffekte von Manuel Baquero, der sich in zehn Jahren Italofilm vom Euro-Spy-Movie über den Italo-Western („Für eine Handvoll Dollar“) bis zum Horror-Exploitation seine Sporen verdiente.  Herrscher einer versunkenen Welt war seine vorletzte Arbeit und nach 1974 verschwand er schließlich ganz von der Bildfläche. Na gut, der Ballonflug der fünf Flüchtlinge, der schließlich zur Bruchlandung auf Nemos Insel führt, ist eher dilettantisch geraten und sieht aus, als wäre er für einen Knetfiguren-Film gedreht wurden. Andere Effekte sind jedoch solide gemacht und zeugen von einem erfahrenen Experten, der mit wenigen finanziellen Mitteln das Bestmögliche zu erreichen suchte.

 

Vergessen werden darf auch nicht die fantastische Filmmusik von Gianni Ferrio, die ihren Platz auch durchaus in einer großen Hollywoodproduktion hätte finden können. Wer beide DVDs zu Hause hat, möge das romantische, von Keyboard-Sounds dominierte Hauptthema einmal mit dem Stück „Flug auf dem Glücksdrachen“ aus „Die unendliche Geschichte“ von Klaus Doldinger vergleichen. Grundsätzliche Ähnlichkeiten in den Akkorden und der Instrumentalisierung sind meiner Ansicht nach, vor allem zu Beginn der Stücke, nicht vollkommen zu verleugnen.

 

Meine selbstpersönliche Lieblingserinnerung, auf die ich dieser Tage bei der Neubegutachtung des Werks sehnsüchtig gewartet habe, war als Kind die Erkundung des geheimnisvollen Berges. Der ist (bekanntlich mit allerlei technischen Schnickschnack verstehen, um Kapitän Nemo unliebsame Gäste vom Hals zu halten. Und tatsächlich: auch wenn man mit dieser Form der Filmkunst heute wahrscheinlich kein Kind mehr hinter dem Tablet hervorlockt – für mich ist das Wiedersehen mit den Laserstrahlen feuernden Kugeln immer noch ein süßer Trip in eine unbeschwerte Kindheit, in der mich notfalls auch eine Biene Maja, Pinocchio oder sogar Heidi glücklich machen konnten, wenn weder Raumschiff Enterprise, noch Mondbasis Alpha 1 in der Flimmerkiste liefen. Die Raumpatrouille Orion flog auch erst wieder ab dem 25.09.1975 in der ARD.  Zeit genug also, sich von einem TV-Abenteuer auf eine ferne Insel entführen zu lassen und  zumindest bei mir einen  bleibenden Eindruck zu hinterlassen. 

persönliche Bewertung: 4/6