Lese- und Hörtipp: Ernest Cline: Ready Player One

Da ist es also soweit. Was Ihr hier vor Euch seht ist nicht weniger, als der 300. Artikel auf meiner kleinen Fanseite www.greatscifi.de. Ohne Euer stetig wachsendes Interesse wäre dies kaum möglich gewesen. Das ist für mich zweifelsohne ein Grund zu feiern und daher habe ich mich entschieden, einen meiner schönsten Glücksgriffe der letzten Monate auszuwählen, um diesem Ereignis gerecht zu werden.

Denn Ernest Clines Ready Player One ist für mich nicht mehr und weniger als das schönste, spannendste und witzigste Hörbucherlebnis der letzten Monate. Grundlegend erzählt Cline die Geschichte eines dystopischen Jahres 2044, die von einer Energie- und Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes heimgesucht wird. Statt sich der Realität zu stellen, flüchten sich Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen weltweit in die OASIS, die größte, realistischste und schönste Computersimulation, die je geschaffen wurde. Die OASIS, das ist ein riesiges MMORPG (Massive Multiplayer Online Role Play Game), Simulation, virtueller Treffpunkt, Arbeits- und Schulplatz in einem und noch viel mehr. Man heiratet, verdient Geld, geht zur Kirche, sektiert und paktiert oder ist ein einsamer Wolf. Das Leben scheint in dieser Cyberwelt in Ordnung, bis James Halliday, der Erfinder dieses virtuellen Utopia, im Alter von 67 Jahren stirbt. Sein Vermögen vermacht er demjenigen, der in in der OASIS einen kupfernen, jadenen und einen goldenen Schlüssel findet, mit denen er Portale öffnen kann. Diese führen ihn zur Lösung des Rätsels und somit zum Vermögen des verschrobenen Spieleentwicklers. In der Simulation entwickelt sich darauf hin eine Subkultur, „Jäger“ genannt, die ihre gesamte Zeit damit verbringen, den Halliday Alamanach“, eine Art Tagebuch, zu studieren. Der war ein Kind der 80er und daher enthält seine Hinterlassenschaft Tausende Hinweise auf Filme, Musik, Speisen, Marken, und vor allem Computerspiele dieser Epoche. Wer ein guter „Jäger sein will“, muss sich Bestens auskennen, denn im Almanach liegt die Lösung des Rätsels verborgen....

Dies ist nur ein sehr kurzer Eindruck dieses fantastischen Hörgenusses. Tatsächlich ist die Geschichte voll gespickt mit Anspielungen auf die 80er Jahre, was mir, der diese Zeit als junger Mann miterlebt hat, unheimlich viel Spaß macht. Aber das ist es nicht allein. Cline versteht es, grandios zu erzählen. Er nimmt den Leser, oder in diesem Fall: Hörer, mit auf eine Reise in eine virtuelle Welt, in der bald genauso ein harter Kampf tobt wie in der Realität. Die Jagd auf Halliday' s Easter Egg wird für den Protagonisten Wade Watts zu einer Flucht, einem Kampf um Leben und Tod. Und so witzig geschrieben viele Passagen auch sind, lässt sich letztlich nicht verleugnen, dass Ready Player One ein SciFi Thriller erster Güte ist, der in einer glaubwürdigen dystopischen nahen Zukunft angesiedelt ist. Und die klingt zumindest stellenweise fast beängstigend prophetisch.

Dazu trägt auch der fantastische Interpret Martin Bross bei. Seine Stimmvariabiltät schwankt zwischen jugendlich, mädchenhaft, kalt, brutal und sogar so rotzig, dass ich mich an den jungen Martin Semmelrogge erinnert fühle. Bross verleiht jeder Figur eine eigene Stimmfarbe, ohne sich als Interpret dabei zu verlieren, wie es bisweilen etwa Oliver Rohrbeck in seinen Michael Crichton Interpretationen oder auch Rufus Beck in Die Marschroniken widerfährt. So vergehen die etwas mehr als dreizehn Stunden Hörzeit im Fluge. Für mich hätte die Story ruhig noch einmal so lange dauern können, wenn sie denn so geschickt weitergesponnen worden wäre.  Ernest Cline hat eine grandiose Geschichte verfasst, wie es sie in dieser Art in der Science Fiction selten gibt. Ob Großkonzerne, Virtual Reality Brillen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Spieleindustrie, ungezügelter menschlicher Energiebedarf oder die Verrohung der Menschheit. Selten habe ich versteckt in witzigen Anspielungen und Dialogen so viel Gesellschaftskritik erlebt, die obendrein noch in einen spannenden, plausiblen Thriller verpackt ist. Ready Player One ist nicht nur grandiose Unterhaltung, sondern ein Werk mit Herz und Verstand.

persönliche Bewertung: 6/6