komplett überarbeiteter Artikel

Autor: Reinhard Prahl

zuerst erschienen in: Magazin 2000plus Mai/Juni 2004

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Leben aus dem Kosmos? Ein Artikel von Reinhard Prahl

Kaum ein Science Fiction Fan träumt nicht davon zu erfahren, ob es da draußen noch mehr gibt, als nur uns. Wie ist überhaupt so etwas komplexes wie "Leben" entstanden? Haben sich die uns heute bekannten Lebensformen auf der Erde entwickelt, oder wurden die Bausteine dafür sozusagen mitgebracht?

Schon Lord Kelvin of Largs (1824 - 1907) glaubte, dass genau dies geschehen sei, dass gegen extreme Kälte resistente aber doch lebende Sporen auf die Erde niedergingen, und so erst das ermöglichten, was wir heute unter "Lebewesen" verstehen. Ernst genommen hat den Lord seinerzeit niemand, doch könnte der gute Mann gar nicht so unrecht haben. Vielleicht waren es nicht unbedingt lebendige Sporen, sondern eher Bausteine, die von Kometen mitgeführt, vielelleicht schon zum Ende des großen Bombardements, vor etwas weniger als  4 Milliarden Jahren auf die Erde regneten.

Mayo Greenberg (1922-2001) jedenfalls, der seit 1992 Direktor des Laboratoriums für Astrophysik Leiden war, hat in Experimenten dargelegt, dass tatsächlich etwas ähnliches passiert sein könnte. 2004 wurden seine Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit in der Zeitschrift "Sterne und Weltraum" vorgestellt. Herr Greenberg hatte es sich zum Ziel gesetzt, in seinem Labor in Leiden "die Urerzeugung des Lebens nachzuvollziehen".

Er suchte nach einem Weg, um aus den für das Leben notwendigen und  im All enthaltenen Elementen Stickstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff die "richtigen Moleküle" entstehen zu lassen, oder anders ausgedrückt: die organischen Verbindungen Aminosäuren! Die genannten Elemente sind in Staubteilchen gebunden, die durch Verdichtung zu Sternen werden. Die Überbleibsel dieses Entstehungsprozesses, die nicht größer als 0,001 Millimeter sind, werden durch Sternenwinde und Supernovae zurück in den Raum geblasen, wo sie sich in einer Dunkelwolke wachsender Dichte wiederfinden. Hier ist die Temperatur niedrig genug, dass Atome und Moleküle an den Staubkörnchen hängen bleiben können. Durch eine UV-Bestrahlung verändern sich diese Teilchen nun vereinfachend ausgedrückt und es entstehen komplexe Strukturen, die grunsätzlich die Bausteine des Lebens beinhalten.

Um diese Prozesse im Labor nachbilden zu können, mussten Weltraumbedingungen simuliert werden, was durch geeignetes gemischtes Eis in einem extrem kalten Hochvakuum erreicht wurde. Dem Ganzen wurde eine Portion kurzwellige UV-Strahlung beigemixt und voilá: bereits 1970 führten erste Versuche zur Bildung "sehr komplexer Moleküle". Nach einer Bestrahlung, die einen Zeitraum von mehreren Millionen Jahre simulieren sollte, wurden die Proben erwärmt und es bildete sich ein gelblicher Rückstand, der auch aus mehreren Aminosäuren bestand. Dabei hat man im Labor auch neue Molekülarten entdeckt, die tatsächlich später im All nachgewiesen werden konnten. Diese interessanten Moleküle waren aus der Erwärmung einer Probe hervorgangen, die bestrahlt worden war und aus Ammioniak, Kohlenmonoxid, Methan und Wasser bestand. Eben aus jenen Zutaten soll eine frühe Erdatmosphäre bestanden haben.

Diese Experimente zeigten zwar salopp ausgedrückt lediglich den  Anfang vom Anfang, doch immerhin. Greenberg ließ also seine Proben kurzerhand auf der Raumsonde EURECA mitfliegen. Dort wurden sie naturgemäß einer sehr intensiven UV-Strahlung ausgesetzt. Diese Prozedur erzielte die gewünschte Wirkung und eine bräunlich verfärbte Substanz entstand, die alle wesentlichen chemischen Bausteine enthielt, die man heute als für die Voraussetzung zur Entstehung von Leben notwendig annimmt.

Allerdings können sich diese "Lebensbausteine" nur auf Kometen halten, denn durch die Hitze, die bei der Entstehung einer Sonne freigesetzt wird, oder den unvermeidlichen Kollisionen der Planetesimale, die erst einen Planeten entstehen lassen, würde die Substanz unweigerlich ihre chemischen Eigenschaften verlieren. Nach Greenbergs Einschätzung stürzten dann eben jene Kometen vor ca. 3,5 Milliarden Jahren, zum Ende des großen Bombardements, auf die Erde und wurden durch die seinerzeit sehr viel dickere Atmosphäre sanft abgebremst. Im Wasser vermehrten sich diese Substanzen allmählich (heute glaubt man, es könnte möglich sein, dass auch Wasser erst durch Kometen auf die Erde kam) und bildeten immer komplexere Formen bis hin zu ersten Lebewesen in Form von Einzellern.

Genau dieser Vorgang könnte sich auf quasi unendlich vielen wasserführenden Welten wiederholt haben, sofern sie nur erdähnliche Bedinungen erfüllten. Es könnte theoretisch also überall im Universum Leben mit vergleichbaren chemischen Zusammensetzungen entstanden sein, wie sie auf unserer Heimatwelt vorkommen.

Dies ist ein überaus spannender Gedanke für uns Science Fiction Fans, den man noch weiterführen kann. Wo nämlich ähnliche Bedingungen herrschen und entsprechende Strukturen entstehen, könnten auch äußerliche Ähnlichkeiten vorkommen. Star Trek lässt grüßen. Mit anderen Worten: hätten Greenberg und seine Kollegen Recht, könnte es im All eine ganze Reihe von humanoid-ähnlichen Lebensformen geben, sogar in unserer stellaren Nachbarschaft. Da das Leben auf der Erde über Milliarden Jahre mindestens drei mal fast vollständig ausgelöscht wurde und sich erst langsam von diesen Katastrophen erholte, ist die Menschheit nach kosmischen Standard sehr jung. Wir sind sozusagen noch nicht einmal in der Nuckelphase.  Auf anderen Welten könnte das Leben mehr Glück gehabt haben. Selbst auf einem Planeten, der in etwa dem Alter der Erde entspricht, könnte sich demnach mit etwas Glück wesentlich früher intelligentes Leben entwickelt haben, als hier.

So legten die beiden Wissenschaftler Dale Russel vom National Museum Kanada und sein Kollege Ron Seguin bereits in den 70er Jahren nahe, dass sich selbst auf der Erde theoretisch schon vor 40 Millionen Jahren aus den Dinosauriern eine menschenähnliche Lebensform entwickelt haben könnte, die die beiden Dinosauroid tauften. Russel und Seguin ließen dieses Wesen erstaus dem Stenonychosaurus (Troodon) entstehen, da dieser über ein relativ großes Gehirn, den bipediden Gang und kurze vordere Extremitäten verfügte. Diese könnten sich zu Armen mit Händen entwickelt haben. Letztlich wurde diese Idee auch in einer Star Trek Voyager Folge aufgegriffen.

Russel errechnete, dass sich innerhalb von 25 Millionen Jahren ein Wesen entwickelt hätte, dass ein Körpergewicht ähnlich dem eines durchschnittlichen Menschen und ein entsprechendes Gehirn gehabt hätte. Dabei wurde nur eine nach heutigem Kenntnisstand relativ normale evolutionäre Entwicklungszeit vorausgesetzt. Russel schrieb in seinem Buch "Dinosaurs Past and Present" voller Begeisterung: "Diese Form könnte mit einer nicht zu unterschätzenden Wahrscheinlichkeit in den Biosphären erdähnlicher Planeten als Konsequenz der natürlichen Selektion entstanden sein". Spinnerei oder nicht. Jedenfalls zeigt dieses Gedankenexperiment einmal mehr, wie komplex, verbreitet und weit voraus uns intelligentes Leben sein könnte.

 Unter anderem die NASA, das S.E.T.I Institute und Seti@home (http://setiathome.ssl.berkeley.edu/) scheinen das nicht so viel anders zu sehen, wie die entsprechenden Projekte beweisen. Jedenfalls schrieb schon Seth Shostak, der S.E.T.I. mit ins Leben gerufen hat: "Immerhin dürfen wir nicht davon ausgehen, dass sie zufälligerweise genau auf unserem Entwicklungstand sind. Viel eher werden sie uns sehr weit voraus sein. Noch rückständiger als wir könnten sie kaum sein, denn dann wären sie nicht einmal in der Lage, interstellares Lauschen zu betreiben."

Planeten, auf denen Leben existieren könnte, werden sich jedenfalls in absehbarer Zeit immer mehr finden. Einige Kandidaten hat man seit 1990 bereits entdeckt.

Seit dem 12. November 2013 kennt man mindestens insgesamt 1040 Planeten in 788 Sonnensystemen Mehr als 170 Systeme haben mehr als 2 Planeten. Planetare Sonnensystem gelten heute in unserer Nachbarschaft als sicher. Am 28.10.2013 wurde etwa ein Sonnensystem mit 7 Planeten nachgewiesen, dass dem unseren recht ähnlich scheint. Auch Systeme mit sogenannten Kometenfängern, Gasriesen wie Jupiter, die verhindern, dass zu viele Kometen auf einem erdähnlichen Planeten einschlagen, scheinen in unserer Milchstraße nichts ungewöhnliches zu sein. 2004 wurde beispielsweise ein jupiterähnlicher Planet nachgewiesen, der um 55 Cancri kreist.

Und einige der entdeckten Planeten könnten sogar Leben beherbergen. Sie wurden in einer Entfernung von etwas mehr als 20 Lichtjahren gesichtet und scheinen in der Ökosphäre ihres Sternes zu liegen. Sie sind klein genug, um Atmosphäre zu halten und es besteht die Chance, dass es dort Wasser gibt. Um Gliese 581c kreist ein Planet, der eine Oberflächentemperatur von  0 - 40° zu haben scheint, was Erdbedinungen grundsätzlich recht ähnlich scheint.

Dabei stehen wir erst am Anfang der Planetenentdeckungen. Der direkte Nachweis von Sonnensystemen mit Planeten ist derzeit nicht möglich und die existierenden Verfahren sind bei weitem nicht ausgereift. Kleine Steinklumpen im All, wie unsere Erde einer ist, sind sehr schwer zu erkennen. Was dürfen wir also für die Zukunft erwarten? Was wird erst geschehen, wenn wir Teleskope haben, mit denen wir exoterrestrische Planeten direkt beobachten können? Meiner Einschätzung nach ist es von diesem Moment an nur eine Frage der Zeit, bis wir auf intelligentes Leben stoßen. Manchmal ist die Wissenschaft halt noch spannender, als es der beste Science Fiction Film sein kann.