Quelle: Cover: Warner Brothers, Bildzitate: werden nachgereicht
Quelle: Cover: Warner Brothers, Bildzitate: werden nachgereicht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Interstellar, original: Interstellar (2014)

Paramount Pictures, Warner Brothers, Legendary Pictures, Lynda Obst Productions, Syncopy,

Produktionsland: USA, GB; gefilmt teilweise in IMAXX; Länge: 169min

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Darsteller Team
Matthew McConaughey als Cooper Regie: Christopher Nolan
Anne Hathaway als Dr. Amelia Brand Produktion: Christopher Nolan, Emma Thomas, Lynda Obst
Mackenzie Foy als Murphy mit zehn Jahren Drehbuch: Jonathan Nolan, Christopher Nolan
Jessica Chastain als erwachsene Murphy Kamera: Hoyte van Hoytema
Matt Damon als Dr. Mann Schnitt: Lee Smith
 Michael Caine als Professor Brand Spezialeffekte: Double Negative
John Lithgow als Grandpa Donald Musik: Hans Zimmer

Besprechung:

 

Inhalt:

Der Menschheit gehen die Nahrungsmittel aus. Starke gravitatorische Veränderungen auf der Erde führen zu einer Versteppung einst fruchtbaren Landes. Wichtige Kulturpflanzen wie die Kartoffel, Weizen, Okra oder  Reis fallen dem Mehltau und den immer stärker werdenen Sandstürmen zum Opfer. Große Hungersnöte sind die Folge, die dazu führen, dass sich die Menschheit nunmehr auf den Nahrungsanbau konzentriert. Kriege, Militär, aber auch die meisten Technologien geraten allmählich in Vergessenheit oder werden in ihrer Bedeutung negiert. In dieser Welt in der Mitte des 21. Jahrhunderts lebt der ehemalige Ingenieur und Testpilot Cooper mit seinem Vater, seinem Sohn und seiner zehnjährigen Tochter Murphy auf einer großen Farm und baut Mais, die letzte verbliebene Nahrungs-Nutzpflanze an. Obwohl bereits bis zu einem Drittel der Ernten verloren gehen, gibt Cooper die Hoffnung nicht auf.

Eines Tages nach einem Sandsturm entdeckt Murphy in ihrem Bücherzimmer, von dem sie glaubt, dass dort "ein Geist" lebt, im Staub eine seltsame Anordnung, die sich als Binärcode entpuppt, der Koordinaten enthält. Von wissenschaftlicher Neugier getrieben geht Cooper dem Hinweis nach, Murphy, die sich im Auto versteckt hatte, begleitet ihn. Bald erreichen die beiden ein abgezäuntes Gelände, auf dem sich die Reste der NASA befinden. Hier wird Nolan von Professor Brand, einst eine Berühmtheit auf dem Gebiet der Astrophysik, offenbart, dass auch der Mais bald keine Erträge mehr bringen wird und die Menschheit somit kurz vor dem Aussterben steht. Die letzte Chance ist, einen bewohnbaren Planeten außerhalb des Sonnensystems zu finden. Fünfzig Jahre zuvor war in der Nähe des Saturn ein Wurmloch entdeckt worden, dass einen Durchgang in eine fremde Galaxie darstellt. Die NASA hat die letzten Jahrzehnte damit verbracht, unter Verwendung der letzten technischen Ressourcen ein Raumschiff  zu bauen, das den langen Weg zum Saturn zurücklegen, und sich durch das Wurmloch begeben soll. Nolan, einer der letzten noch fähigen Piloten der USA, soll Captain der "Endurance" werden. Die wissenschaftliche Leitung übernimmt Professor Brands Tochter Amelia.

 

Hinter dem Wurmloch befindet sich ein altes Schwarzes Loch, das von drei möglicherweise bewohnbaren Planeten umkreist wird. Einer davon könnte der Menschheit vorübergehend ein neues Heim bieten. Bereits Jahre zuvor wurden drei wissenschaftliche Teams dorthin gesandt, deren Daten es nun zu überprüfen gilt. Sollte die Mission erfolgreich sein, werden ausgesuchte Menschen in einer riesigen Raumstation, einer O'Neill Kolonie ähnlich folgen. Andernfalls sollen die Mitglieder der Crew der Endurance mithilfe einer angelegten Gendatenbank und künstlicher Befruchtung eine neue, lebensfähige Menschheit erschaffen.

Cooper weigert sich zuerst, seine Familie zu verlassen, da Professor Brand, um die Raumstation starten zu können, eine einheitliche Quantengravitationstheorie enwickeln müsste, die den Start des auf der Erde gebauten riesigen Komplexes überhaupt erst ermöglichen würde. Als Brandt ihm aber zusichert, kurz vor der Lösung zu stehen und so lange weiterzuarbeiten, bis diese gefunden sei, erkennt der Ingeneur in diesem Flug die einzige Möglichkeit, seine Tochter und seinen Sohn zu retten. Also sagt er zu. Vorbereitungen werden getroffen und einige Wochen später startet die "Endurance" zu ihrer zweijährigen Reise zum Saturn, um sich von dort aus ins Ungewisse zu begeben. Was wird die Crew auf der anderen Seite des Wurmlochs finden, eine zweite Chance, oder das endgültige Aus?...

 

Fazit:

Es ist lange her, dass ich über einen gesehenen Film so lange nachgedacht habe, wie über Interstellar. Die Bildgewaltigkeit, die Musik, das alles hat mich zutiefst beeindruckt. Mit seinen 169 Minuten mag die Spieldauer dem ein oder anderen vielleicht etwas lang erscheinen, für mich jedoch verging die Zeit im Flug. Von der ersten Sekunde folgte ich gebannt den Ereignissen. Das Thema des unaufhaltsamen Todes der Erde und die daraus resultierende Notwendigkeit, den Planeten für immer zu verlassen, ist natürlich nicht neu. Die Art und Weise, wie es Christopher und Jonathan Nolan präsentieren, ist hingegen anders und entfernt sich erfrischend vom aktuell gerne propagierten Weltzerstörungsszenario.

Der Regisseur entführt uns in ein Endzeitszenario, in dem das Militär seinen Nutzen verloren hat. Stattdessen werden Farmer benötigt. Der Grund liegt in einer unvorhergesehenen gravitatorischen Veränderung der Erde, die zu einer nie gekannten Verödung des Planeten führt. Die Nahrungs-Kulturpflanzen wie Kartoffeln, Okra, Weizen und Reis sind vom Mehltau dahingerafft worden. Nur Mais ist als letzte, jedoch bereits im Aussterben befindliche, Alternative geblieben. Bis zu einem Drittel der weltweiten Jahresernten fällt jedoch bereits dem Mehltau und den Sandstürmen zum Opfer. Unter solchen Vorzeichen ist selbstverständlich auch Tierhaltung nicht mehr denkbar, so dass die Menschheit vor ihrem unwiderruflichen Aus steht. Nolan fragt ganz unverhohlen, welchen Sinn die Existenz der weltweiten Waffenlobby unter solchen Umständen noch hätte. Philosophisch tiefsinnig weist der Regisseur darauf hin, dass in, einer von Waffen und Gewalt regierten, Welt ausreichende Ernährung und Bildung der Schlüssel zum wahren Frieden sind.

In diese Thematik führt uns die erste halbe Stunde des Films sanft und behutsam ein und stellt nebenbei die Protagonisten vor. Da ist der Ingenieur Cooper, weltklasse von Matthew McConaughey gespielt, der einst Testpilot war. Nun verdingt er sich in einer Gegend der ehemaligen USA als Maisfarmer, die  bereits dem Untergang geweiht ist und von immer mehr Menschen verlassen wird. Seine technische Brillanz und die Leidenschaft dafür hat Cooper jedoch nicht verloren. Eines Tages hackt er sich in eine indische Drohne, die seit mindestens zehn Jahren führerlos den Luftraum der USA durchstreift. Was ihm Lebensinhalt und -liebe ist, sein Dasein als Ingenieur, ist jedoch ebenso verfallen, wie die ihn umgebende Welt.

 

Intelligent inszeniert, lassen die Nolan Brüder ihre Hauptfigur  in einem Nebensatz eine ironische Kritik an jenen üben, die  Verschwörungstheorien, wie die Negierung der Mondlandung 1969 kritiklos zustimmen. Sie treiben diese brillante Idee sogar auf die Spitze. Murphys (Coopers zehnjährige Tochter) ist es, die  den Lehrern ein Dorn im Auge ist, liest sie doch „unkorrigierte“ (also unverfälschte) Geschichts- und Technikbücher. Das endende Technologiezeitalter ist beendet und fällt nun dem Scheiterhaufen der Lüge zum Opfer, um den Untergang der Menschheit hinauszuzögern. So ist die erste halbe Stunde nicht nur Einführung, sondern auch ein Statement für Frieden, Bildungsfreiheit und gegen den Hunger. Das ist wundervoll gelungen, sind diese politisch/moralischen Zwischentöne doch sanft ins Geschehen eingeflochten.

Ohne zu sehr spoilern zu wollen, zieht uns Nolan mithilfe von Murphys Wissensdurst und Intelligenz unaufhaltsam tiefer ins Geschehen. „Ein Geist“ treibt im Bücherzimmer der Farm sein Unwesen, der dem zehnjährigen Mädchen offenbar etwas Bedeutendes mitteilen will. Nach einem Sturm wird klar, worum es sich wirklich handelt. So begeben sich Vater und Tochter auf die Suche nach einem, zuvor identifizierten, Satz Koordinaten. Dieser führt die kleine Familie zu den Überresten der einst, so mächtigen,  NASA, die an einem letzten großen Programm zur Rettung der Menschheit arbeitet. Nolan, einer der letzten noch wirklich qualifizierten Piloten, soll ein Raumschiff namens „Endurance“ in die Nähe des Saturn fliegen.  Hier befindet sich ein, offenbar künstlich, platziertes Wurmloch, dessen Existenz den Wissenschaftlern ein Rätsel ist. Tatsächlich könnte es aber einen stabilden Durchgang in eine andere Galaxie und zu drei bewohnbaren Planeten bilden. Auf der anderen Seite befindet sich jedoch auch ein altes schwarzes Loch und so ist es alles andere als sicher, ob der geplante Trip wirklich die Rettung der Menschheit bedeutet. So gerät Nolans Reise nicht nur zu einer Reise ins Unbekannte, sondern ist schließlich der einzige Weg, seine Tochter zu retten.

Die Bilder und die Musik, die uns von nun an begleiten, sind so berauschend tief, dass ich als Zuschauer ein fortwährendes  emotionales und intellektuelles Verlangen spürte, dem Geschehen zu folgen. Das ist wahrlich großes Kino! Diese quasi-Euophorie hält bis zum, leider zu langgezogenen Ende an. Zwar versuchen die Nolans Anleihen bei ihrem großen Vorbild 2001 - Odyssee im Weltraum zu nehmen, vermögen es aber nicht, ihr Werk ähnlich überzeugend abzuschließen. Während im Klassiker von 1968 das Ende quasi die logische Konsequenz, die Quintessenz,  ist und das Thema der Geburt einer neuen Menschheit als Teil der kosmischen Gesellschaft zuende führt, wird dieser Zusammenhang in Interstellar nicht so deutlich und lässt einige Fragen offen, die einer Antwort bedurft hätten. Anders als bei Kubrik, werden wir nicht Teil einer kosmischen Gemeinschaft. Allein der Mensch, repräsentiert in Coopers Vaterliebe, ist in der Lage, seinen Fortbestand zu sichern. Dieses Fazit wird leider durch surreale Bilder überlagert. Doch die bereits angesprochenen Themen geben trotzdem genug Stoff zum Nachdenken. Sind die Ausgangsfragen noch eher politischer Natur, tun sich im weiteren Verlauf philosophische Themen über die Existenz des Menschen ansich auf, die letztlich vor allem emotional beantwortet werden.  Der Fragenkatalog entwickelt sich im Verlauf des Films stetig fort bis hin zur alles entscheidenen Frage nach der Existenz der Menscheit in einer verrohten Gesellschaft ohne Mitgefühl und Nächstenliebe. Denn ohne diese Attribute gäbe es bei Nolan keine Rettung. Kubriks Vision ist eine andere. Seine strahlende Zukunft weist technokrate Züge auf. Der Fortschritt führt zur Rettung der Menschheit.

 

Gerade zum Ende des Films wurden den beiden Drehbuchautoren und Regisseuren bisweilen Logiklöcher vorgeworfen, die sich vornehmlich auf die astronomischen Inhalte beziehen. Grundsätzlich ist der ganze Film in sich unlogisch, da er auf Prämissen beruht, die entweder rein theoretischer Natur sind oder der Fantasie der Autoren entsprangen. Insofern kann man absolut jedem Science Fiction Werk Unlogik und Unwissenschaftlichkeit vorwerfen. Der weltbekannte Physiker Kip Thorne, der als Berater für Interstellar tätig war, wurde sicherlich  nicht engagiert um dem Streifen mehr wissenschaftliche Glaubwürdigkeit oder Logik zu verleihen. Es sollte wohl, wie ich meine, lediglich eine Inszenierung erreicht werden, die dem derzeitig angenommenen Bild der dargestellten Phänomene möglichst nahe kommt. Dieses Vorhaben sollte aber nicht als ein Versuch ernsthafter Wissenschaftlichkeit missinterpretiert werden, sondern  dem Film wahrscheinlich mehr Tiefe und Hintergrund verleihen. Die rein theoretische Natur der gezeigten kosmischen Phänomene erklärt sich allein schon aus der Tatsache, dass eine direkte Beobachtung mit den derzeitigen technologischen Möglichkeiten ausgeschlossen bleibt. Diese Tatsache macht die Bilder allerdings keineswegs weniger eindrucksvoll.

An dieser Stelle möchte ich noch ein wenig näher auf die Technik eingehen. Dass Christopher Nolan ein außergewöhnlicher Regisseur ist, ist hinreichend bekannt. Allein seine Interpretation der Batman Saga ist meiner Ansicht nach denkwürdig. Doch hier gehen Bild und Ton tatsächlich eine unwiderstehliche Symbiose ein. Nolan nutzt die Möglichkeiten moderner Computertechnologie voll aus, um uns ein wirklich nachvollziehbares, stilles Universum zu zeigen - voll von Einsamkeit und Leere - angefüllt mit Gefahr und doch auch mit Hoffnung. Das alles geschieht meines Erachtens in einer Präzision und Detailverliebtheit, die seit dem mehrfach erwähnten Klassiker 2001 - Odysee im Weltraum, wohl nicht zufällig Christopher Nolans Lieblingsfilm, so nicht mehr gezeigt wurde.

Musikalisch ist Interstellar für mich vielleicht der beste Film der letzten fünf bis zehn Jahre. Ruhige, fast depressive Orgelklänge wechseln sich mit starken, fast orchestralen, dann wieder elektronischen Sounds ab, die stets den Kontext der jeweiligen Szene zu erfassen vermögen und sie nicht nur unterstreichen, sondern auch tragen. Hans Zimmer ("Black Rain", "Der schmale Grat", "Gladiator", "Black Hawk Down", "Pearl Harbor", "Hannibal", Batman Begins, Man of Steel u.v.m.) hat schon viele gute Filmmusiken geschrieben. Nicht umsonst gilt der Deutsche als einer der einflussreichsten lebenden Filmkomponisten. Doch mit Interstellar hat er ein Meisterwerk abgeliefert, dass seinesgleichen sucht.

 

Nicht nur technisch, auch schauspielerisch gehört dieser Film für mich zur Spitzenklasse. Wie oben schon gesagt, ist Mathhew McConaughey brillant als Cooper, Mackenzie Foy als zehnjährige Murphy ist endlich einmal ein Jungtalent, dass diesen Namen auch verdient und Jessica Chastain als erwachsene Murphy ist absolut überzeugend. Michael Caine als Professor Brand ist nach wie vor eine Augenweide. Caine hat nichts von seinem Können eingebüßt. Ich habe mich sehr gefreut, John Lithgow, bekannt aus Filmen wie The Day After – Der Tag danach, oder 2010: Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen, aber Hinter dem Mond gleich links, endlich wieder in einer würdigen Rolleerleben zu dürfen. Die Meinungen über Anne Hathaway fallen wiederum sehr zwiespältig aus. Ich fand sie als unberechenbare Komponente der Raumschiffcrew der ENDURANCE überzeugend, aber nicht so grandios wie ihre Schauspielkollegen.

Die Motivation des Films, die Motive, die Technik, die schauspielerische Leistung: all das hebt Interstellar wohltuend vom Mainstream ab und macht den Film für mich zu einem der wichtigsten Science Fiction Filme der letzten Jahre. Er zeigt, dass SciFi nicht nur actionorientiert sein muss, dass auch Fantasiewelten wie diese ernste Aussagen beinhalten dürfen, philosophisch tiefsinnig und optisch reizvoll zugleich sein können. Es werden nicht zu viele leere Worte verschwendet und die Emotionalität der Figuren ist bedrückend und schön zugleich. Jonathan und Christopher Nolan haben für meinen Geschmack ein einzigartiges Kunstwerk geschaffen, dass unter Umständen großen Einfluss auf zukünftige Filmemacher haben könnte. Lediglich zum Ende hin überziehen die Nolan Brüder ein wenig, was in meiner persönlichen Bewertung durch einen kleinen Abzug deutlich wird.

persönliche Bewertung: 5/6