Quelle: Cover: Eurovideo, Bildzitate: Eurovideo, ZDF
Quelle: Cover: Eurovideo, Bildzitate: Eurovideo, ZDF

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Delegation (1970)

Bavaria Film, ZDF, ORTF, RAI, DVD: Eurovideo; Produktionsland: Bundesrepublik Deutschland;

Länge. 100 Minuten, gekürzt: 97 Minuten

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Darsteller Team
Walter Kohut als Will Roczinski Regie: Rainer Erler
Hans Häckermann als Fernseh-Moderator Produktion: Rainer Erler
Stephan Orlac als Kameramann Drehbuch: Rainer Erler
 - Kamera: Charlie Steinberger
 -  Schnitt: Jaqueline Hoffmann
 - Musik: Eberhard Schoener

Besprechung:

Inhalt:

In der Fernsehsendung „aktuelles forum“ wird eine Reportage des verstorbenen Reporters Will Roczinski gezeigt und kommentiert. Die Fotos, Filmaufnahmen und Tonbandmitschnitte offenbaren eine geradezu unglaubliche Geschichte. Auf einer Ufologen-Konferenz erfährt der kritische Journalist von einer gut dokumentierten UFO-Sichtung. Radaraufnahmen scheinen zu beweisen, dass Flugobjekte mit hyperfortschrittlichen Fähigkeiten über kanadischem- und US-Luftraum gesichtet wurden.

 

Zusammen mit seinem Kameramann begibt sich der Skeptiker auf die Reise und interviewt zunächst einen US- Major, der ihm rät, die Sache nicht weiter zu verfolgen. Nach zahlreichen Gesprächen mit mehr oder weniger glaubhaften Augenzeugen erhält er in Kanada schließlich eine seltsame Fotoaufnahme eines menschenähnlichen Wesens im Astronautenanzug. Die junge Fotografin erinnert sich jedoch nicht, die Aufnahmen je gemacht zu haben. So sucht man einen bereits zuvor interviewten Hypnotiseur auf, der eine fast haarsträubende Geschichte offenbart. Nach weiteren Unterhaltungen mit Astronomen, Physikern, Mathematikern und anderen "Zeugen" formt sich langsam das Bild einer „Delegation“ Außerirdischer, die auf die Erde kamen, um die Menschheit zu studieren. Roczinskis Suche führt ihn schließlich nach Mexiko und Peru, immer einer Wahrheit auf der Spur, die vielleicht nur seiner Fantasie entsprungen ist...

 

Fazit:

Rainer Erler gehört sicherlich zu den großen deutschen Filmemachern einer Ära, in der das deutsche Fernsehen wesentlich offener und mutiger mit phantastischen Stoffen umging, als heute. Filme wie „Seelenwanderung“ (1962), der hier besprochene Die Delegation (1970), die fünfteilige Serie Das blaue Palais (1974 – 1976), Operation Ganymed (1977), Plutonium (1978), oder Fleisch (1979) sind teils hochdekorierte Werke. Immer wieder gelang es Erler, Science Fiction mit wissenschaftlich brisanten Themen unterhaltsam und ansprechend zu präsentieren. Für seine Leistungen wurde der Regisseur und Autor zurecht mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt er je zweimal den Adolf-Grimme-Preis, sowie den Kurd-Laßwitz-Preis. Im Jahr 2004 wurde er mit dem Deutschen Fantasy Preis geehrt.

 

Die Delegation entstand zwischen 1969 und 1970, eine Zeit in der ein gewisser Erich von Däniken mit seinem Sachbuch „Erinnerungen an die Zukunft“ für Furore sorgte. Das Buch befasst sich mit Außerirdischen, die vor tausenden von Jahren die Erde besucht hätten und von den primitiven Eingeborenen als Götter verehrt worden seien. Es kam unter anderem deshalb so gut an, weil es in eine Bresche schlug, die sich seinerzeit großer Beliebtheit erfreute. Fälle wie der (angebliche) Entführungsfall der Betty und Barney Hill, der „Roswell Zwischenfall“, oder die Sichtungswellen in den USA, waren in aller Munde. Die Anzahl der gemeldeten UFO-Sichtungen weltweit erhöhte sich rasant. Diese, man könnte fast sagen, Hysterie machte sich Erler zunutze. Er inszenierte sein Werk als glaubhaft aufgemachte „Reportage“. Um dieses Ziel zu erreichen, verwendete er zahlreiche Stilmittel, wie etwa Wackelbilder, amateurhaft wirkende Kameraeinstellungen, künstlich einkopierte Bildstörungen, Tonband- und Interviewschnipsel, sowie Fotos. Das, vom verstorbenen Reporter Will Roczinski stammende, „Material“ wird im Film in einer „Live-Sondersendung“ namens „aktuelles forum“ präsentiert.

Die Täuschung geriet so glaubhaft, dass nach der Erstausstrahlung im Jahr 1970 zahlreiche Zuschauer besorgt beim ZDF anriefen. Das veranlasste Rainer Erler schließlich im Jahr 1980, als der Film wiederholt wurde, zu einem Statement. Er versichert dem Publikum, dass die genannten wissenschaftlichen Fakten zwar real, die Geschichte an sich aber rein fiktiv sei. Diese Maßnahme sollte bereits verdeutlichen, wie geschickt hier ans Werk gegangen wurde. Interessant ist zudem, dass sich die oben genannten Stilmittel im sogenannten Found Footage Look aktuell wieder großer Beliebtheit erfreuen. Beispielsweise die Indie-Produktionen District 9 (2009) und Europareport (2012) setzten auf diese eher ungewöhnliche Art der Kameraführung mit großem Erfolg. Insofern war Die Delegation seiner Zeit voraus und wurde nicht zuletzt aufgrund der spannend und gut erzählten Geschichte mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet.

 

Ich selbst bin nach wie vor ein großer Fan dieser kurzen, aber innovativen Science Fiction Ära des deutschen Fernsehens. Der hier besprochene Film gehört zu meinen Favoriten aus deutscher Produktion, vielleicht auch, weil ich mich als junger Mann lange Jahre mit der behandelten Thematik intensiv auseinandergesetzt habe. Jenseits der Sensationspresse und der Esoterik (im Sinne von UFO-Gläubigen, die einem fast religiösen Wahn nachhängen) gibt es seine Fülle lesenswerten Materials. Erler vermischt für seine fiktionale Reportage beides und verwebt es zu einem Gesamtkonstrukt, dass mich als Zuschauer auch heute noch mitzunehmen versteht. Der ,im Alter von nur dreiundfünfzig Jahren, verstorbene Walter Kohut spielt seine Rolle als Will Roczinski so glaubhaft, dass man gar nicht auf die Idee kommt, hier soeben Zeuge eines schauspielerischen Meisterstücks zu werden. Diese Tatsache kommt besonders dadurch zum Tragen, dass Rainer Erler mit zahlreichen Amateurschauspielern an den Drehorten Deutschland, USA, Mexiko und Peru zusammenarbeitete.

Es ist geradezu erschütternd mitanzusehen, wie Roczinskis Leben seinen Händen entgleitet, während er der Sensation seines Lebens hinterherjagt. Er trifft auf Zeugen, Wissenschaftler, „Gläubige“ und „Ungläubige“, die ihn ablehnen, oder gar begleiten. Sein Weg führt ihn von Deutschland, über die USA, bis zu den berühmten Nazca Linien in Peru, wo er im Flugzeug eine „bekannten Autoren“ mit schweizerischem Dialekt interviewt. Hier steuern wir auf den Höhepunkt der Geschichte zu.

Was sind aber nun die Nazca-Linen und warum suchte sich der Regisseur ausgerechnet dieses Gebiet für das Finale aus? Das beeindruckende Nazca, in den peruanischen Anden, wurde durch die deutsche Mathematikerin Maria Reiche berühmt. 1949 wagte sie sich erstmalig an eine astronomische Deutung dieser seltsamen Gebilde in der Steinwüste. Ende der 60er Jahre tauchen die aus dem Sand gescharrten geometrischen und tierischen Figuren dann in Erich von Dänikens Werk auf, der sie als „Landebahn-Imitationen“ (nicht, wie fälschlich immer wieder behauptet, als Landebahnen!) einer Kultur deutete, dessen Sagenschatz die Geschichte der „Götter aus den Himmeln“ beinhaltete. Von Däniken zufolge sollten die Nazca-Linien diese göttlichen Wesen animieren, dereinst auf die Erde zurückzukehren. Weiterhin behauptete er, entgegen der seinerzeit vorherrschenden Meinung, dass die Strukturen wesentlich früher als zwischen 200 v.Chr. und 600 n.Chr. erschaffen worden sein mussten. Heute nimmt die Altamerikanistik allgemein an, die Bauzeit erstrecke sich über einen Zeitraum von 800 v. Chr. bis etwa 200, längstens 600 n.Chr.. Diese Erkenntnis verschiebt den Zeitraum bislang um bis zu eintausend Jahre. Unterstützt wurden die Thesen des Träumers, Abenteurers und Weltenbummlers weiterhin im Jahr 1977, als der Experimentalarchäologe Jim Woodman in seinem Buch „Nazca – mit dem Inka-Ballon zur Sonne“ zu dem Entschluss kam, dass zahlreiche Figuren nur aus der Luft – und somit aus einem Ballon - geplant worden sein konnten. Nach neuesten Forschungen des DAI (Deutschen Archäologischen Instituts) geht man übrigens derzeit davon aus, dass es sich tatsächlich um religiöse, tempelartige Strukturen handelte, die allerdings mehr den Naturgöttern gewidmet waren, als den viel zitierten „Ancient Astronauts.“ Inzwischen ist  bekannt und gut dokumentiert, dass Geoglyphen (so der Fachbegriff) nicht nur in Nazca, sondern quasi auf jedem Kontinent vorzufinden sind.

ach diesem kurzen Exkurs sollte klar geworden sein, warum Erler seinen Protagonisten ausgerechnet hier auf einen der „Götter aus dem All“ treffen lässt. Weder beantwortet der Film jedoch Fragen, noch setzt er ein Statement. Die Delegation versteht es trefflich, eine Stellungnahme zu vermeiden, indem Erler den Außerirdischen in einer peruanischen Dorfhütte an einer Erkältung sterben lässt, bevor Roczinski seine Fragen zur Herkunft des Wesens stellen kann. Dies ist genau der richtige Abschluss für diesen Filmgenuss, der auch noch heute absolut sehenswert ist.

persönliche Bewertung: 5(+)/6