Quelle: DVD Cover und Szenenfotos: MGM und 20th Century Fox
Quelle: DVD Cover und Szenenfotos: MGM und 20th Century Fox

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1984, original: 1984 (1984)

Umbrella Rosenblum Films Corporation, Virgin Benelux, Virgin, MGM Home Entertainment

und 20th Century Fox (DVD)

geflimt in Eastman Color, teilweise mit dem Verfahren der Bleichauslassung; Produktionsland: GB;

Länge: 108 min

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Darsteller Team
Richard Burton als O' Brian Regie: Michael Radford
John Hurt als Winston Smith Produktion: Simon Perry
Suzanna Hamilton als Julia Drehbuch: Michael Radford
Cyril Cusack als Charrington Kamera: Roger Deakins
Gregor Fisher als Parsons Schnitt: Tom Priestley
Roger Lloyd Pack als Ober Musik: Eurythmics und Dominic Muldowney

Besprechung:

Inhalt:

Das Jahr 1984. Die Welt ist nach einem Atomkrieg in drei große totalitäre Staatensysteme zerfallen, die seit Jahrzehnten mit wechselnden Bündnissen Krieg gegeneinander führen. Die ehemalige USA und Westeuropa bilden Ozeanien, geführt von der faschistoiden Einheitspartei INGSOC unter der Leitung des „Großen Bruders“. Eine kleine Gruppe, die „Innere Partei“ herrscht über die Masse, die sich in „Äußere Partei“ und Proletarier aufteilt. Durch 24stündige Totalüberwachung, die Einführung einer auf das Minimum reduzierten Sprache, Gedankenverbrechen, sogenannten Two Minute Hates und anderer Mittel, die von subtil bis brutal unmenschlich reichen, gelingt es dem inneren Zirkel, die schlecht versorgte Menge auf Kurs zu halten.

 

Widerstand regt sich nur wenig und doch: der im Korrekturbüro des Wahrheitsministeriums (Geschichtsfälschung) in London angestellte Winston Smith hegt einen tiefen Hass gegen den Großen Bruder und seine Helfershelfer. Heimlich führt er, obwohl dies streng verboten ist, ein Tagebuch, in dem er seinen freiheitsliebenden Gedanken freien Lauf lässt. Während einer Two Minute Hate hält eines Tages eine Parteigenossin, Julia, Blickkontakt zu ihm. Anfangs empfindet Winston tiefen Groll gegen die junge, hübsche Frau, ist sie doch Mitglied der Anti-Sex-Liga, einer Organisation, die für die Abschaffung des Orgasmus und die verbindliche Einführung von künstlicher Befruchtung eintritt. Bald steckt sie ihm jedoch einen Zettel mit den Worten „ich liebe Dich“ zu. Insgeheim wird ein Treffen arrangiert und die beiden treffen sich außerhalb des vom Krieg gezeichneten London in einem Wald, der zu einer wundervollen hügeligen Landschaft führt. Hier haben sie zum ersten mal Sex miteinander.

 

Winston mietet in den Vierteln der Proletarier ein kleines Zimmer, welches die Liebenden zu ihrem Domizil ausbauen. Selbst Kaffee, Zucker und Tee, Luxusgüter in einer Welt, in der die Menschen mit Haferbrei, künstlichem Fleisch, billigem Gin und schlechten Zigaretten ernährt werden, kann Julia organisieren. So schaffen sie sich ihre kleine Traumwelt, bis diese eines Tages jäh zerstört wird...

 

Fazit:

Als nach dem zweiten Weltkrieg die Ausmaße der Kontrolle, die die NS Regierung auf das deutsche Volk, und insbesondere auf die Kinder, ausübte bekannt wurden, zeigte sich die Welt ob der Perfidität und Brutalität des Systems geschockt. Die eingesetzte Propaganda, die Hitlerjungen, die NAPOLA oder Projekt Lebensborn waren Auswüchse eines perversen Staatsapparates, die in dieser Form bisher völlig unbekannt gewesen waren. Kein Wunder also, dass sich sensible und freiheitsliebende Autoren wie George Orwell inspirieren ließen, in Romanen vor einer Wiederholung oder gar Steigerung zu warnen. So verfasste Orwell im Jahr 1948 den Roman 1984, seine anti-utopische Vision eines totalitären Systems der Zukunft unter der Führung des Big Brother (ja, den Namen gab es tatsächlich schon vor der dämlichen Reality Show „Big Brother“), der über nicht auszuschaltende Bildschirme seine Bürger total überwacht. In der Orwell'schen Welt gibt es kein freies Denken und Handeln mehr.

Alles wird von der INGSOC der Partei des English Socialism bestimmt. Ganze Heerscharen von Parteimitgliedern der sogenannten „Äußeren Partei“ sind damit beschäftigt Pressemeldungen zu „korrigieren“ und somit als angebliche Verräter „entlarvte“ Personen als „Unperson“ zu erklären. Sie werden vollständig aus der Geschichte eliminiert. Auch Meldungen über den endlosen Krieg der drei großen Machtblöcke Ozeanien, Eurasien und Ostasien, deren Bündnisse regelmäßig wechseln und von denen niemand ein echtes Interesse zu haben scheint, das ewige Abschlachten zu beenden, müssen regelmäßig angepasst werden. Die einfachen Parteimitglieder treffen sich täglich zu mehreren sogenannten 2 Minute Hates, in denen das derzeit gültige Feindbild forciert und die Allmacht des Großen Bruders, sowie die bedingungslose Hingabe zu ihm zelebriert werden. Um die Kontrolle über das letzte freie Gut des Menschen, seine Gedanken, zu komplettieren, wurde eine neue Sprache, „Neusprech“ eingeführt. Ziel ist es, Sprache auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren, um somit auch jegliche Möglichkeit der freien Meinungsäußerung zu auszuschalten. So gibt es beispielsweise keine positiven Assoziationen wie „großartig“ mehr, sondern nur noch eine Steigerung des Wortes „gut“ zu „ plusgut“ und „doppelplusgut“. 1984 entwickelte sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte zu einem der wichtigsten Romane des Science Fiction Subgenres der Dystopie (oder Anti-Utopie). Im Jahr 1984 erschien schließlich die britische Verfilmung des Werkes durch den Regisseur Michael Radford, der auch das Drehbuch verfasst hatte. Es handelte sich hierbei um Radfords zweiten eigenständigen Film, den er bei einem angemessenen Budget von 3 Millionen britischen Pfund wiederum zu einem der wichtigsten Vertreter seines Genres innerhalb des Films machte.

Radford hält sich in seiner Version weitestgehend an die Romanvorlage, wobei er es durch die beklemmenden, oft in Nah- oder Halbnah aufgenommenen Bilder versteht, die fast grenzenlose Einengung des Bürgers durch den Überwachungsstaat darzustellen. In Radfords Film ist das Individuum gänzlich bedeutungslos geworden. Männer und Frauen tragen blaue Overalls. Die zwei Minute Hate Einstellungen sind dunkel gehalten, so dass man Einzelne, wenn überhaupt, dann nur durch eine Naheinstellung eines hassverzerrten Gesichtes wahrnimmt. Dieser Gesichtsausdruck ist jedoch omnipräsent, so dass der kurze Fokus auf eine Person sogleich wieder negiert wird. Gleich zu Beginn des Films werden wir mit dieser Technik konfrontiert. Die Anfangssequenz ist so eindrücklich, dass sie sich tief ins Bewusstsein des Zuschauers eingräbt. Dem setzt der Regisseur seine (und Orwells) beiden Hauptfiguren, Winston Smith und Julia entgegen, die nach Außen den Anschein wahren, glühende Verehrer des Großen Bruders und seiner Partei INGSOC zu sein. Julia trägt gar um ihre Hüfte eine farbige Schärpe, die sie als Mitglied der Anti-Sex-Liga auszeichnet, eine Parteiorganisation, die darauf abzielt, das menschliche Bedürfnis nach Geschlechtsverkehrs und Orgasmus abzuschaffen. Fortpflanzung soll in dieser Welt des Krieges und der Kontrolle lediglich auf künstlichem Wege durch Insemination oder Invitro Fertilisation stattfinden. Aus guten Gefühlen füreiander, so die Doktrin, resulitert Liebe und letztlich vorbehaltlose Loyalität für den Partner. Diese ist aber der Kern für von der Gedankenpolizei zu verfolgenden „Gedankenverbrechen“. Denn nur der Große Bruder darf bedingungslos geliebt werden, nur ihm gilt die Loyalität aller Menschen.

 

Winston hegt schon lange Zweifel an der Partei. Heimlich führt er Tagebuch in dem er Sätze: „Freiheit ist die Freiheit zu sagen, das Zwei und Zwei gleich Vier ergibt. Ist dies gewährt, ergibt sich alles andere von selbst“. („Freedom is the Freedom to say: two plus two equals four. If that is granted, all else follow“) festhält. Heimlich begibt er sich in die Viertel des Proletariats, der im wahrsten Sinne des Wortes Unterschicht dieses durch Krieg und Verwahrlosung gezeichneten London, in dem der Film spielt. Er kauft verbotene Dinge, hat Sex mit einer Prostituierten und leistet so bereits die Art von Widerstand, die ihm zum Gedankenverbrecher machen. Tagsüber arbeitet er in einem der großen Korrekturbüros. Hier werden zur„Unperson“ gewordene Menschen aus den Zeitungen und Nachrichtenmeldungen der Geschichte getilgt.

 

Als Julia Winston eines Tages im Proletarierviertel erblickt, steckt sie ihm einen Zettel zu und beide beginnen eine Liaison. Diese haben Regisseur Michael Radford und Kameramann Roger Deakins großartig in Szene gesetzt. Das erste Treffen findet in einem Wald statt. Julia führt Smith auf eine Lichtung, ein wunderschönes Bild einer friedlichen, grünen hügeligen Landschaft, die wie ein Traum in der zerstörten, grauen und von Entbehrungen geprägten Welt anmutet. Im weiteren Verlauf wird ein Zimmer im Arbeiterviertel gemietet, in dem ein großartiger John Hurt (Alien, Spaceballs, Contact, V – wie Vendetta) als Winston Smith und die beeindruckend naiv, aber gleichzeitig sexuell aufregend wirkende Suzanna Hamilton als Julia sich überwiegend nackt begegnen. Das Motiv ist brillant gewählt, stellt die Nacktheit doch sowohl den Wunsch nach körperlicher und seelischer Freiheit, als auch die Verletzlichkeit der Beiden dar, als sie schließlich von der Gedankenpolizei gestellt werden. Die Demütigung wird durch das Bild der vollkommen entblößten, Rücken an Rücken stehenden Protagonisten nur noch verstärkt und der Zuschauer ahnt bereits, was nun folgt.

 

Überhaupt finde ich den Film optisch überaus beeindruckend. Obwohl 1984 zweifelsohne ein Science Fiction Film ist, verzichtet Radford bewusst auf typische Attribute und Accsessoirs. Smith' Computer an seinem Großraum-Büro-Arbeitsplatz besteht beispielsweise aus einem uralt wirkenden Röhrenbildschirm, einer nicht minder antiquiert wirkenden Sprechmuschel und einer Wählscheibe. Wie oben bereits erwähnt, befinden wir uns in einem vom Krieg gezeichneten postindustriellen London, das wie aus den 40er Jahren wirkt. Das Bild wird noch durch die Sequenzen in den Proletarier-Vierteln verstärkt, in dem wir in dem von Winston, wie er glaubt, heimlich gemieteten Zimmer alte Möbel und eine Waschschüssel erblicken. Die Kleidung der Menschen wirkt wie aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Mit voller Absicht wird uns also eine Art Gegenentwurf zur Realität präsentiert, der großartig und glaubwürdig inszeniert ist.

Gekrönt wird die romangetreue Verfilmung von einem wundervoll agierenden Richard Burton in seiner letzten Rolle. Burton ist das Mitglied der „Inneren Partei“ O'Brian, Verführer, Ankläger und Richter in einer Person, der zu Winston Kontakt aufnimmt, ja ihm sogar das Werk des erklärten Partei- und Volksfeindes Emmanuel Goldstein zukommen lässt, an dem er allerdings selbst mitgeschrieben hat. Er leitet die Folter der beiden Gedankenverbrecher und zeigt sich subtil als väterlicher Freund, wie auch als eiskalter Parteigenosse, der nur das eine Ziel hat: Winston das „Doppeldenk“ der Partei beizubringen, die Fähigkeit, zwei völlig widersprüchliche Gedanken als wahr zu akzeptieren, sofern es der INGSOC nützt. Radford stellt den Kampf Winstons gekonnt dar, indem er die Folterszenen wieder meist in Nah- oder Halbnahaufnahmen realisiert, um sie dem Bild der oben bereits beschriebenen, in Weitwinkel präsentierten, fast surrealen Hügellandschaft entgegenzusetzen, in die sich der Gequälte flüchtet, um nicht den Verstand zu verlieren. Letztlich unterliegt er jedoch. Den Schwur, den Julia und er geleistet haben, nie ihre Gefühle füreinander zu verraten, können sie nicht aufrecht erhalten. Letztlich werden beide so gebrochen, dass ihnen, trotz des Wissens, dass eine Hinrichtung unausweichlich ist, nichts als die Liebe zum Großen Bruder bleibt.

1984 gehört für mich somit zu den Filmen, über die man sicherlich seitenlang schreiben kann und über den es viele Abhandlungen gibt. Es fällt mir gar nicht leicht, mich hier selbst auszubremsen und mich auf meine wichtigsten Eindrücke zu beschränken, die hoffentlich in der Lage sind, Euch zu vermitteln, für wie wichtig und brillant ich den Titel halte. Roman und Film dienten als Inspiration für unzählige folgende Werke im literarischen und filmischen Bereich, unter anderem auch für mehrere Star Trek Episoden aus TOS und TNG. Seine inhaltliche Tiefe, die brillante Erzählweise und die, man darf sagen, Retroausstattung schaffen ein bedrückendes Szenario, dem wir heute mit unseren Smart-TVs, Smart-Phones und Tables, die jederzeit angezapft werden können, in einigen Bereichen näher sind, als man denken mag.

persönliche Bewertung: 6/6